Laufschuhe im Test – Qualität und Preis gerechtfertigt?

Das unabhängige schweizer Magazin für Produkte- und Dienstleistungs-Tests SRF Kassensturz hatte im Jahr 2022 insgesamt 15 Laufschuhe im Test um die Qualität und den Preis der Modelle direkt miteinander zu vergleichen. Das Ergebnis dieser Testreihe ist doch ein wenig verblüffend. Sehen Sie in folgendem Video die Zusammenfassung:

Laufschuhe-Testergebnis: Teurer aber nicht wirklich besser

Wenn man als gut zahlender Stammkunde solche Ergebnisse sieht, dann fühlt man sich verständlicherweise durchaus ein wenig über den Tisch gezogen. Der Materialtest vom Prüf- und Forschungsinstitut PFI aus Deutschland spricht da eine klare Sprache und die Hersteller halten sich dazu sehr bedeckt. Diese hier angewendeten Testverfahren beziehen sich im Wesentlichen auf Materialverschleiß und Langlebigkeit der Materialien und machen keinen Unterschied beim Einsatzzweck (zB Training, Gelände oder Wettkampf).

Laufschuhe Kilometergeld

Im Prinzip geht es bei diesen Tests darum, wie viele Cent (oder manchmal sogar Euro) du in einen Laufkilometer mit dem Laufschuh deiner Wahl investieren musst. Das was diese Tests nicht aussagen: mit welchem Laufschuh du am schnellsten bist oder am weitesten Laufen kannst – diesbezüglich wird leider nicht unterschieden. Diese Aspekte würden mehrheitlich zugunsten der Premium-Laufschuhe ausfallen, wenn es um spezifische Einsatzzwecke geht.

Problem, wenn Premium-Laufschuh-Hersteller mehr versprechen als was dahinter steckt

Für diese Zwecke sind Menschen dann auch dazu bereit mehr zu bezahlen. Das Problem nur dabei ist, dass bei den hier aufgedeckten oftmals versteckten Mängeln von Premium-Laufschuhen der Mangel zu Lasten der Gesundheit des Läufers gehen kann. Das zu beweisen ist im Streitfall wohl eher nicht wirklich belegbar.

Verletzungsanfälligkeit bei Top-Laufschuhmodellen mit Carbon-Technologie

Speziell bei den gesundheitlichen Faktoren und der Verletzungsanfälligkeit bei Carbon-Laufschuhen wurde in der Vergangenheit oft grob fahrlässig gehandelt. Tausende Hobbyläufer sind damit monatelang gelaufen und ein nicht unwesentlicher Anteil davon hatte (oder hat) mit Schmerzen zu kämpfen. Erst nach vielen Monaten haben vermeintliche Laufschuh-Spezialisten mit der Aufklärung begonnen, dass jene Carbon-Laufschuh-Modelle eigentlich gar nicht für die breite Masse von Hobbyläufern geeignet sind. Da war es aber vielerorts schon viel zu spät.

Fakt: Nur weil ein Laufschuh sehr teuer ist, heißt das noch lange nicht, dass er ein guter Laufschuh ist – hinsichtlich Qualität, Preis (bzw. Preis pro Laufkilometer), Einsatzzweck und möglicher gesundheitlicher Risiken.

laufschuhe im test
Abbildung: Highspeed-Laufschuh mit Carbon-Sohlentechnologie

€ 35,- Laufschuh nimmt es bei der Qualität mit den Premium-Herstellern auf

Wirklich verblüffend bei diesem Testergebnis ist der Discounter-Laufschuh KALENJI Run Active Laufschuh von Decathlon. Dieser Laufschuh kostet gerade einmal € 34,99 und soll bei der Qualität mit den Premium-Laufschuhen mithalten können? Gibt’s nicht – oder etwa doch?

Laufschuhe Run Active Herren
Abbildung: Screenshot von decathlon.de am 12. Oktober 2023

Dieser Laufschuh wird als Trainingslaufschuh für Hobbyläufer bis Laufstrecken von 10 Kilometer angegeben. Es ist also kein langstreckentaugliches Modell, darauf ist dieser Laufschuh grundsätzlich nicht ausgerichtet. Und es ist als ehrlich, verantwortungsbewusst und lobenswert zu bewerten, wenn ein Sportartikel-Hersteller oder Fachhändler dies offen so kommuniziert. Diese Ehrlichkeit wird bei sogenannten Premium-Fachhändlern, und speziell bei den Produzenten, manchmal vermisst – so wie es dieser unabhängige Laufschuhe-Test offenlegt.

Laufschuhe Testergebnis von SFR Kassasturz

Das Testergebnis erstaunt durchaus in vielerlei Hinsicht und das nicht zugunsten von Premium-Herstellern.

Bei diesem Test hat sich herausgestellt, dass ein Laufschuh der Marke 361° mit einem Preis von Fr. 179,- am allerbesten abgeschnitten hat. Der teuerste Laufschuh der Marke On mit Fr. 240,- landete lediglich auf Platz 3. Aber gleich danach folgt auf Platz 4 ein fast dreifach günstigerer Laufschuh (Kiprun), vor Puma (Fr. 170) und Adidas (Fr. 220). Und dann kommt die Sensation: auf Platz 7 (von 15 Plätzen) landet der billigste Kalenji bequem im Mittelfeld, vor namhaften Premium-Herstellern wie Brooks, Saucony, Nike, Asics, New Balance, … und Joe Nimble, der das qualitative Schlusslicht markiert. Schlussfolgerung: Der Preis hat wenig bis gar nichts mit der Qualität eines Laufschuhes zu tun. Dies belegen andere Tests und sogar internationale Studien (bitte lesen Sie den Artikel weiter).

Laufsport muss künftig leistbar bleiben

Unabhängig von der Qualität und Langlebigkeit eines Laufschuhes muss der Laufschuh an sich für die breite Masse der Bevölkerung leistbar bleiben. Dies ist auch heute schon nicht mehr wirklich der Fall – speziell im sogenannten Premium-Laufschuh-Segment. Zudem hat beispielsweise auch eine schottische Studie ergeben, dass billigere Laufschuhe oftmals sogar eine bessere Dämpfung haben.

Zu dieser Studie von Rami Abboud, Direktor des Instituts für Bewegungsanalyse und -forschung an der Universität von Dundee

Eine im Online-Journal British Journal of Sports Medicine veröffentlichte Studie ergab, dass teure Laufschuhe ihren hohen Preis wahrscheinlich nicht wert sind. Eine Gruppe schottischer Wissenschaftler stellte weder beim Komfort noch bei der Stoßdämpfung Unterschiede zwischen den Laufschuhen zum Preis von 80 US-Dollar und Paaren derselben Unternehmen fest, die fast doppelt so viel kosteten.

An der Studie nahmen 43 Männer im Durchschnittsalter von etwa 29 Jahren teil, die neun Paar Laufschuhe einer bekannten Marke anprobierten. Alle Männer hatten eine durchschnittliche Fußgröße und wiesen keine Fuß- oder Ganganomalien auf. Die Einzelhandelspreise lagen zwischen 80 und 150 US-Dollar pro Paar. Keiner der Männer kannte den Preis der Schuhe, die sie beim Test trugen. Sie wurden gebeten, den jeweiligen Laufschuh zu testen und den Forschern eine subjektive Einschätzung des Komforts jedes Schuhs zu geben. Die Männer liefen auch in den Schuhen, während sie High-Tech-Sensoren trugen, die den Druck an verschiedenen Stellen des Fußes maßen, einschließlich des Plantardrucks, jener Kraft, die durch den Aufprall der Sohle auf den Boden entsteht.

Nach Durchsicht der Ergebnisse stellten die Forscher unabhängig vom Preis keine signifikanten Unterschiede im Komfort und Schutz zwischen den Schuhen fest.

„Man geht davon aus, dass man, wenn man mehr bezahlt, am Ende vielleicht etwas Schützenderes in den Schuhen hat, aber das konnten wir einfach nicht finden“, sagte Rami Abboud, Direktor des Instituts für Bewegungsanalyse und -forschung an der Universität von Dundee. „Nach dem, was wir herausgefunden haben, scheint der Unterschied reine Werbung zu sein.“

Teure Laufschuhe und Verletzungen - mehr Schutz oder mehr Marketing?

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2022 zum Thema „Laufschuhe“ hat sich damit beschäftigt, ob teure High-Tech-Laufschuhe wirklich mehr Schutz vor Verletzungen und körperlichen Problemen bieten, als weniger und nicht speziell dafür vorgesehene Laufschuhe. Einerseits hat die Studie trotz hoher Teilnehmerzahl (11.000 Personen), und einer Forschungsdauer bis zu 26 Wochen, keine eindeutigen Rückschlüsse (Vertrauenswürdigkeit von Evidenz nach GRADE) zugelassen. Der Grund war dafür waren die zu facettenreichen Ausgangsbedingungen der jeweiligen Probanden. Es mangelte also an der Verblindung (wichtiges Qualitätsmerkmal für Evidenz). Zudem war die Zahl der Teilnehmenden für einige exakte Vergleiche sehr klein.

Auf der anderen Seite jedoch konnte in der Studie durchaus heraus gearbeitet werden, dass speziell dafür deklarierte Laufschuhe trotz der hohen Anschaffungskosten und des Aufwands wahrscheinlich nicht besser vor Verletzungen schützen als nicht speziell verschriebene Laufschuhe.

Die Studie über Laufschuhe zur Prävention von Verletzungen ist leider zu einem ernüchternden, nicht ganz klaren und eher verunsichernden Ergebnis gekommen, welches die gesundheitsrelevante Zweckmäßigkeit und Daseinsgrundlage von teuren High-Tech-Laufschuhen in Frage stellt: „Wir können uns deshalb über die tatsächlichen Auswirkungen verschiedener Laufschuhtypen auf die Verletzungsraten nicht sicher sein“, so das ernüchternde Fazit der Autor:innen.

Ein wichtiger Aspekt ergibt sich nun aber dennoch: Teure Laufschuhe bieten höchstwahrscheinlich nicht das, was versprochen wird

Weder die Studie aus Schottland, noch die Cochrane Studie, oder eine Studie aus Kanada über Laufschuhe und Laufverletzungen konnten eine wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von teuren Laufschuhen ermitteln, die den hohen Preis dafür rechtfertigt. Speziell die Studie aus Kanada über Verletzungen beim Laufen hat ergeben, dass dem Verkaufsargument (Laufschuhe schützen vor Aufprall und Überpronation) für teure Laufschuhe nur sehr begrenzte Evidenz für Pronation und Aufprallkräfte als Risikofaktoren bescheinigt.

Anmerkung: In ein paar spezifischen Ausnahmefällen kann ein spezieller Laufschuh, der zB von einem Orthopäden (oder ähnlichen Spezialisten) dezitiert verschrieben wird, für den jeweiligen „Klienten“ im Sinne seiner Bestimmung funktionieren, aber auch dieser Laufschuh muss zwangsläufig nicht teuer sein.